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Lukas Hartmann im Interview zu seinem neuen Roman ›Der Sänger‹

September 1942. Joseph Schmidt, begnadeter Tenor, Liebling der Frauen, Jude, schwer krank, sitzt im Wagen eines Schleppers, der ihn aus Vichy-Frankreich über die Schweizer Grenze bringen soll. Er hat Angst. Eine lange Odyssee über Wien, Brüssel, Südfrankreich liegt schon hinter ihm. Wird sie in der freien, demokratischen Schweiz ein gutes Ende finden? Heute erscheint Lukas Hartmanns neuer Roman »Der Sänger«.

Wie sind Sie auf das Thema gekommen? Was bedeutet Ihnen Joseph Schmidt, sein Leben, seine Musik?

Lukas Hartmann: Ich hatte vor Jahren etwas über ihn gelesen, haften blieb bei mir, er sei in die Schweiz geflüchtet und 1942 unter traurigen Umständen ums Leben gekommen. Dann hörte ich in einer Radiosendung seine Stimme, deren ganz besonderer Klang mich sogleich in Bann schlug, und ich beschloss, Schmidts Geschichte nachzugehen.

Galt Joseph Schmidt damals als DER Sänger?

Er war Jude, kam aus Czernowitz in der Bukowina (heute Ukraine) und galt bis 1933 im deutschsprachigen Raum, aber auch in den USA, nach Caruso allgemein als bedeutendster Tenor seiner Zeit. Berühmt gemacht haben ihn vor allem Rundfunkkonzerte und die Schallplatte, für die Opernbühne war er zu klein.

Der Sänger
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Der Sänger

Hardcover Leinen
288 Seiten
erschienen am 24. April 2019

978-3-257-07052-1
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70
* unverb. Preisempfehlung
Auch erhältlich als

 

Vom Weltstar zum Flüchtling – sehen Sie im Schicksal Joseph Schmidts eine Botschaft für unsere heutige Zeit?

Ich glaube schon. Es gibt auch heute berühmte Künstler(-innen), die verfolgt werden und flüchten müssen, sei es wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer politischen Haltung. Es gibt sie vor allem in Diktaturen, es gibt sie in China, in afrikanischen und südamerikanischen Ländern. Und es gibt, damals wie heute, die polarisierten Meinungen in der Bevölkerung, wie überhaupt mit Flüchtlingen umzugehen sei. Sollen wir sie zurückweisen wie damals die Juden in der Schweiz? Wäre es unsere Pflicht, mehr Bedrohte aufzunehmen, wie der Theologe Karl Barth es forderte?

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen? Haben Sie auch Schauplätze besucht?

Der Tenor Alfred A. Fassbind hat im Zürcher Oberland, wo Joseph Schmidt als Achtunddreißigjähriger in einem Internierungslager starb, ein umfangreiches Archiv aufgebaut und zudem viele Materialien, auch Tondokumente, ins Internet gestellt. Seine Auskünfte und seine Schmidt-Biographie haben mir sehr geholfen. Ich habe dann auch die Schauplätze besucht, bin in Czernowitz gewesen, habe mit Zeitzeugen und Fachleuten geredet, mir immer wieder Aufnahmen mit Schmidt, auch von seinen Auftritten als Kantor in der Synagoge, angehört. Die gehen bis 1929 zurück.

Worin liegt der besondere Reiz, historische Romane, ausgehend von realen Personen, zu schreiben? Ist es eine Art Zeitreise für Sie?

Das ist es auf jeden Fall. Aber nicht nur. Ich interessiere mich seit langem für die Verflechtung von individuellen Schicksalen mit der Zeitgeschichte. Oft spiegelt sich Vergangenes im Heute, und wir sind blind dafür. Gerade darum versuche stets von neuem zu verstehen, was es bedeutet, in einer Generationenkette zu stehen. 

 

Das Interview mit Lukas Hartmann führte Kerstin Beaujean, März 2019 © by Diogenes Verlag AG Zürich

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Lukas Hartmann, geboren 1944 in Bern, studierte Germanistik und Psychologie. Er war Lehrer, Journalist und Medienberater. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Spiegel bei Bern und schreibt Bücher für Erwachsene und für Kinder. Er ist einer der bekanntesten Autoren der Schweiz und steht mit seinen Romanen regelmäßig auf der Bestsellerliste.

Der Sänger ist am 24.4.2019 erschienen. Auch als eBook.

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