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Anna Stothard und ihr Museum der Erinnerung

Anna Stothard gewährt anlässlich des Erscheinen ihres neuen Romans, Museum der Erinnerung, einen Einblick in eigene sorgsam aufbewahrte Erinnerungsstücke. Und erzählt uns auch gleich zu jedem Objekt eine Geschichte.

Foto: © Anna Stothard

Von Anna Stothard

 

Ich bin, was ich besitze, daran glaube ich unverbrüchlich. Wie die Protagonistin in meinem Roman Museum der Erinnerung, die sich durch ihre Sammlung vor ihrer schwierigen Kindheit schützen möchte, umgebe auch ich mich mit einem Privatmuseum, dass meine Lebensgeschichte erzählt. Während unsere Nervenbahnen Erinnerungen verändern und verschieben, geben uns Dinge zumindest die Illusion von Beständigkeit. Die verschiedenen Reliquien stehen stumm auf meinem Schreibtisch. Sie helfen mir, mich zu erinnern und auch dabei zu schreiben. Wenn ich umgezogen bin, waren sie immer dabei, die Zeit kann ihnen kaum etwas anhaben, und so vermitteln sie mir den Eindruck, die Kontrolle über meine Vergangenheit zu haben. Manchmal, wenn es mir nicht gutgeht, hilft es, sie zu berühren.

Foto: © Anna Stothard

Das ist mein erster Kuss. Das glänzende, schwefelgelbe Haus gehörte einer Polymita-Schnecke. Ich bekam es von einem Jungen am Strand in Kuba, als ich fünfzehn war. Es liegt auf meinem Schreibtisch, und wenn ich es ansehe, spüre ich noch den Sand zwischen den Zehen.

Foto: © Anna Stothard

Die Balletttänzerinnen gehörten meiner Mutter. Einigen fehlen Arme oder Beine, und ihre aufgemalten Augen sind ganz abgerieben. Als ich den Roman schrieb, in verschiedenen Cafés in ganz Berlin, und so beinahe jeden Tag an einem anderen Schreibtisch saß, hatte ich immer ein paar von ihnen in der Tasche.

Foto: © Anna Stothard

Ich habe Hunderte Spielzeugsoldaten. Eine Armee von Scharfschützen, Terrakottakriegern, Offizieren und Cowboys. Jeder Einzelne hat einen Platz in meinen frühesten Erinnerungen.

Foto: © Anna Stothard
Mir war die Zahnfee immer suspekt, die angeblich nachts in mein Zimmer kommt und mir meine Zähne stiehlt (das ist doch gruselig!). Also bewahrte ich meine Milchzähne in einer kleinen roten Schachtel auf. Ich habe sie immer noch.

Foto: © Anna Stothard
Diesen goldenen Plastik-Buddha habe ich in Los Angeles auf dem Bürgersteig gefunden. Damals war ich so einsam, das ich oft auch ohne Grund anfing zu weinen. Ich nahm ihn mit, und seitdem begleitet er mich, unheimlich und lächerlich mit seinem riesenhaften Mund und dem goldenen Bauch.
Foto: © Anna Stothard
Ein Junge in Paris hat mir diese weißen Matroschkas gekauft. Ich war sehr verliebt in ihn, doch vor kurzem habe ich sie schließlich weggeräumt.

Foto: © Anna Stothard
Anfang zwanzig ging eine meiner Beziehungen auf besonders hässliche Weise auseinander. Ich trug dabei diese roten Seidenpumps, die so dermaßen unbequem waren, dass sie mich fast von der Tragödie ablenkten, die sich da abspielte.

Foto: © Anna Stothard

Der Roman spielt im Museum für Naturkunde in Berlin. Während ich daran arbeitete, wuchs meine Bewunderung für die Feinheiten, die die Natur hervorbringt. Wie zart dieser fast vollkommen unbeschädigte Mäuseschädel ist, den ich in den Sümpfen von Essex gefunden habe, und wie dramatisch die Ramose-Murex-Muschel, die ich auf einem Flohmarkt gekauft habe. Ich habe sogar gelernt, wie man Schmetterlinge aufpinnt und eine Krähe ausstopft.

 

Foto: © Anna Stothard
Ich habe damals in Berlin gelebt und mich Hals über Kopf in die Stadt verliebt. Dieses Stück Mauer habe ich aus irgendeinem Souvenirladen, aber es erinnert mich an mein erstes Wochenende in Berlin und wie ich versucht habe herauszufinden, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll.

Museum der Erinnerung
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Anna Stothard, geboren 1983 in London, wuchs in Washington, Peking und New York auf. Nach dem Abschluss in Englischer Literatur in Oxford bekam sie ein Stipendium des American Film Institute in Los Angeles, wo sie zwei Jahre Drehbuch studierte. Zurzeit lebt Anna Stothard in London.

Museum der Erinnerung, aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Bielfeldt, ist am 26.4.2017 erschienen. Auch als ebook.