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»Das wichtigste Wort in meinem Leben ist Respekt.«

Tomi Ungerer zeigt derzeit im Kunsthaus Zürich über 160 meist unveröffentlichte Collagen, Zeichnungen, Skulpturen und Plastiken. Im dazugehörigen Ausstellungskatalog Incognito ist noch viel mehr zu sehen. Die unbekannte Seite eines großen Künstlers.

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Es heißt, Tomi Ungerer habe jeden beeinflusst – als Illustrator, Geschichtenerzähler, Autor, Bildhauer, Bauer, Metzger und Aktivist. Ununterbrochen hat der »schärfste Strich der Welt«, wie man ihn auch genannt hat, seine spitzen Kommentare über den Globus gestreut – und tut es mit fast 84 Jahren noch immer. Aber wer genau ist Tomi Ungerer? Wir kennen ihn als Zeichner bereits klassischer Kinderbücher und provokativer erotischer Bilder, als genialen Illustrator und scharfzüngigen Autor. Weniger bekannt ist sein künstlerisches Werk: Die Assemblagen, Collagen und Plastiken sind aber seit Ungerers Anfängen in den fünfziger Jahren integraler Bestandteil seines Schaffens. Incognito ermöglicht einen neuen Blick auf den Künstler Tomi Ungerer, ganz nach seinem Motto: »Expect the Unexpected!«

»Die Gedanken sind frei.«

Bei der Vernissage der Ausstellung Incognito am 29.10.2015 im Kunsthaus Zürich hielt Tomi Ungerer eine bewegende Dankesrede. Erst seit 2007 in Straßburg das ihm gewidmete Museum eröffnet wurde, verwende er das Wort »Werk« für seine Arbeiten. Mit seinen Collagen, Objekten und Skulpturen, entstanden in den letzten Jahren in seiner Wahlheimat Irland, sei er erstmals wirklich zufrieden – alle  Unsicherheit, die er früher verspürt habe, sei verflogen!  Am Ende der Ausstellungseröffnung sangen mehrere hundert Museumsbesucher mit Tomi sein Lieblingslied »Die Gedanken sind frei« – auch zu finden in seinem bestverkauften Buch Das Große Liederbuch.

Viele der überwiegend noch nie gezeigten Werke in der Ausstellung stammen aus dem Besitz des Künstlers selbst, weitere Hauptleihgeber sind das Tomi-Ungerer-Museum in Straßburg und die Sammlung Würth. Kuratorin: Cathérine Hug, in enger Zusammenarbeit mit Tomi Ungerer.  Foto: © Geri Krischker.

»Der Künstler braucht keine Ruhe, er braucht seine Unruhe.«

Tomi Ungerer ist ein Universalkünstler und ein Provokateur. Auch heute ist er produktiv wie eh und je. Die ausgestellten Werke sind nach Themen gruppiert: »Kindheit im Krieg«, »Fetisch und Humor«, »Politische Plakate«, »Fragmentierte Körper«, »Wortspiele und Bildzeichen«, »Mann und Frau«, »Tiere«, »Stadt und Land«, »Ornament und Kritik«, »Plastik und Assemblage«. Die Ausstellung gibt so einen Überblick über Ungerers unterschiedliche Lebens- und Schaffensphasen – ein Zeugnis seines kreativen Genies und der Bandbreite seines Stils.

»Jedes Kind ist eine Entdeckungsreise.«

Bei einem seiner seltenen Live-Auftritte brachte Tomi Ungerer am Montag, 2.11.2015, im Zürcher Kaufleuten den ausverkauften Saal zum Lachen und zu Standing Ovations. In der Reihe Züri Littéraire erzählte er Moderatorin Mona Vetsch von seiner bewegten Kindheit im Elsass während des Zweiten Weltkriegs, von seiner Zeit in Amerika und dem frühen Erfolg mit seinen Illustrationen, Werbegraphiken und ersten Kinderbüchern (z.B. Die Abenteuer der Familie MellopsDie drei RäuberDer MondmannPapa Schnapp). Tomi Ungerer: »Jedes Kind braucht einen Schock, Herausforderungen im Leben. Aber sie dürfen keine Angst haben. In meinen Kinderbüchern fürchten sich die Kinder nie. Man unterschätzt sie – Kinder haben ihre eigene Unschuld und Vorstellungskraft. Man muss sich mit ihnen ernsthaft unterhalten und zuhören, was sie zu sagen haben. Denn jedes Kind ist eine Entdeckungsreise. Von jedem Kind können wir etwas lernen.«

Eine stimmungsvolle Veranstaltung im Kaufleuten Zürich. vlnr: Philipp Keel, Diogenes Verleger, Künstler, Autor und Herausgeber des Incognito-Katalogs; Moderatorin Mona Vetsch; der große Unterhalter Tomi Ungerer.  Foto: © Geri Krischker.

»Das wichtigste Wort in meinem Leben ist Respekt.«

Tomi Ungerer provozierte zwar schon als Kind gerne, doch das wichtigste Wort in seinem Leben ist Respekt. Respekt vor den Menschen, den Religionen und der Natur. Fehlenden Respekt, Faschismus, Rassismus, Ungerechtigkeit – all dies müsse man täglich bekämpfen, auch in sich selbst. Weltschmerz und der Zorn der Gesellschaft gegenüber, das sind Ungerers Triebkräfte, um kreativ zu sein: »Ein Künstler braucht Hoffnungslosigkeit. Darum sollten Künstler auch nie zum Psychiater gehen.«

»Die Verspätung ist eine Uhrsünde.«

Tomi Ungerer hat immer ein Notizbuch dabei und schreibt seit Jahrzehnten Gedanken und Wortspiele darin nieder. Und dies in drei Sprachen: Französisch bedeute für ihn Esprit, das Englische transportiere den Humor hervorragend und im Deutschen könne man so wunderbar Wörter zusammenfügen und schon habe man ein neues. Der Meister der Zeichenkunst ist hier brillanter und übermütiger Wortjongleur, er kreiert »Tomismen«. Dabei müsse man nicht immer alles erklären. »Denn wenn man alles erklärt, gibt es keine Poesie mehr.«

 

Tomi Ungerer ist als Autor und Illustrator von Kinderbüchern am bekanntesten, aber sein vielseitiges künstlerisches Schaffen umfasst auch Zeichnungen, Werbegraphik, literarische Werke, Collagen, Skulpturen und architektonische Entwürfe. Er hat mehr als 140 Bücher veröffentlicht, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden – von Bilderbüchern über illustrierte autobiographische Bücher bis hin zu kontroversen Satire- und Erotikbänden.

Website Tomi Ungerer

Tomi Ungerer. Incognito. Ausstellung im Kunsthaus Zürich, bis 7.2.2016. Anschließend im Museum Folkwang Essen, 18.3. bis 15.5.2016.

Katalog zur Ausstellung Incognito. Dreisprachig, mit mehr als 350 Abbildungen, Essays und mehr. Auch als limitierte, signierte Vorzugsausgabe mit exklusivem Siebdruck erhältlich.

Besser nie als spät. Neue Gedanken und Notizen.

Allumette, die Neuauflage von Ungerers Version vom Mädchen mit den Schwefelhölzern. Wieder lieferbar.

Weitere Tomi-Ungerer-Veranstaltungen:
Kinderbücher ohne Tabu. Von Wilhelm Busch bis Tomi UngererTomi-Ungerer-Museum Straßburg, bis 1.1.2016.
Tomi Ungerer – zwischen Marianne und GermaniaSimplicissimus-Haus in Renchen, bis 13.1.2016.
Tomi Ungerers KinderbuchzeichnungenVilla Bernasconi Genf
20.11.2015 bis 21.2.2016.
Kinofilm Die drei Räuber im Filmpodium Zürich, ab 21.11.2015.

Tomi Ungerer im Radio- und Fernsehinterview

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