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Christian Schünemann über die Hintergründe seines Romans ›Bis die Sonne scheint‹ – Ein Interview

Christian Schünemanns Roman Bis die Sonne scheint ist eine Familiengeschichte wie eine Achterbahnfahrt, geschrieben in leichtfüßigem, lakonischem Ton. Es ist die Geschichte der Familie Hormann, die ein großes Talent hat: Ruhe bewahren, auch wenn alles um sie zusammenbricht. Erzählt wird sie aus der Sicht des Sohns der Familie, Daniel. Zugleich lesen wir ein fesselndes Zeitpanorama vom Kriegsende bis zu den Achtzigern. Und nicht zuletzt: Es ist die Familiengeschichte des Autors.

Foto: Fabian Raabe / © Diogenes Verlag

Interview mit Christian Schünemann

In Ihrem neuen Roman Bis die Sonne scheint zeichnen Sie den Aufstieg und Fall einer Familie nach, die allen Geldproblemen zum Trotz das Beste aus der misslichen Lage macht – ist es unermüdlicher Überlebenswille oder pure Verzweiflung?

Es stimmt: Das Konto und der Geldbeutel sind leer, es regnet durchs Dach, und der Gerichtsvollzieher steht vor der Tür – aber die Eltern sind trotzdem fest davon überzeugt, dass es bald wieder aufwärtsgeht. Beim Schreiben ist mir erst bewusst geworden, dass in dieser Realitätsverweigerung auch ein gewisser Hochmut liegt – der in der Not aber auch hilfreich sein kann.

Was stand am Anfang Ihres Vorhabens, diesen Roman zu schreiben?

Am Anfang standen fast 500 knisternde Seiten aus hellblauem Luftpostpapier mit der vertrauten Handschrift meiner Mutter. Es sind Briefe, die sie in den Jahren von 1958 bis in die Neunzigerjahre an ihre geliebte, nach Amerika ausgewanderte Schwester geschrieben hat. Die beiden Frauen haben sich über 35 Jahre regelmäßig über ihr Leben, ihre Familien und den Alltag auf dem Laufenden gehalten. Die Briefe hat meine Tante mir eines Tages anvertraut. Es sind Zeitdokumente, ein echter Schatz. Ich habe lange überlegt, was ich damit mache, und kam zu dem Schluss, meine eigene Version der Familiengeschichte zu schreiben.

Der eigenen Familiengeschichte schreibend nachspüren – wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen, und wie wahrt man die Distanz? Kann man den eigenen Erinnerungen überhaupt trauen?

Die Briefe selbst haben zunächst meinen eigenen Erinnerungen auf die Sprünge geholfen. Natürlich hat jeder eine eigene und auch immer etwas andere Erinnerung an dieselben Ereignisse. Als Romanautor habe ich mir die Freiheit genommen, allen Figuren neue Namen zu geben und sie auch ein bisschen freizulassen, damit sie sich entfalten und so verhalten, wie sie wollen. Insofern ist die Handlung meines Romans eine Annäherung an die Realität von damals. Aber ich bin überzeugt, dass ich so der wahren Geschichte manchmal sogar noch näher komme.

Was hat es mit den französischen Vokabeln auf sich, die bestimmten Kapiteln vorangestellt sind?

Zunächst muss ich zugeben: Ich liebe es, Vokabeln zu lernen. Das war schon in der Schulzeit so. Dem Erzähler in meinem Roman geht es genauso. Darum geben ausgesuchte Begriffe aus den Buchkapiteln, ins Französische übersetzt, schon mal die Richtung vor und grenzen die Kapitel, die auf verschiedenen Zeitebenen spielen, voneinander ab.

Die Beschreibungen von Architektur und Wohnverhältnissen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman. Bestimmen wir unsere Lebensräume, oder bestimmen die Lebensräume uns?

Mein Vater war Architekt. Den Blick für Formen, Proportionen und Möglichkeiten habe ich früh geschärft. So strömt das Thema ganz automatisch durch meinen Roman. Und was uns und unsere Lebensräume angeht: Ich glaube, das ist ein Wechselspiel. Ob man will oder nicht, die Art, wie man wohnt, ist ganz sicher ein Ausdruck unserer Persönlichkeit.

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Bis die Sonne scheint

Es ist das Jahr 1983. Daniel steht kurz vor seiner Konfirmation und träumt von blauem Samtsakko und grauer Flanellhose. Doch seit er die Eltern belauscht hat, schwant ihm, dass daraus nichts wird. Hormanns sind pleite und wissen nicht mehr, wie sie die sechsköpfige Familie über die Runden bringen sollen. So erfinderisch die Eltern auch sind, eines können sie nicht: mit Geld umgehen. Was sie dagegen beherrschen: den Schein wahren, selbst als der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.


Hardcover Leinen
256 Seiten
erschienen am 26. Februar 2025

978-3-257-07331-7
€ (D) 25.00 / sFr 34.00* / € (A) 25.70
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Auch erhältlich als

Christian Schünemann, geboren 1968 in Bremen, studierte Slawistik in Berlin und Sankt Petersburg, arbeitete in Moskau und Bosnien-Herzegowina und schrieb als Storyliner und Drehbuchautor. Bei Diogenes erschienen bislang seine Krimiserie um Starfrisör Tomas Prinz sowie die zusammen mit Jelena Volič verfassten Kriminalromane um die serbische Amateurdetektivin Milena Lukin. Christian Schünemann lebt in Berlin.