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Nach Italien – mit Gianni Sollas Roman ›Bei Licht ist alles zerbrechlich‹

Bei Licht ist alles zerbrechlich. Das gilt auch für die Verbindung zwischen Davide, Teresa und Nicolas, die sich 1942 kennenlernen und gemeinsam den Sommer ihres Lebens erleben. Als der Krieg sie auseinanderreißt, verlieren sie sich aus den Augen, aber trotz der prägenden Zeit nie ganz aus dem Sinn. Der italienische Schriftsteller Gianni Solla erzählt in seinem Roman eine mitreißende Geschichte über Freundschaft und das Entdecken des eigenen Selbsts.

Im Kurzinterview verrät uns Gianni Solla, was ihn zu dem Roman inspiriert hat und welche Rolle Neapel für ihn spielt. Eine tolle Lesebegleitung für alle, die im Italien- und Buchmessefieber sind!

Foto: © Privatarchiv

Interview mit Gianni Solla

Ihrem Roman liegt eine wahre historische Begebenheit zugrunde: die Zwangsumsiedelung von 36 Jüdinnen und Juden von Neapel aufs Land. Wie haben Sie davon erfahren? Und war Ihnen sogleich klar, dass dies Stoff für einen Roman sein könnte?
Damals recherchierte ich gerade zu meiner Heimatstadt während des Zweiten Weltkriegs. Ich hatte gar nicht die Absicht, einen historischen Roman zu schreiben, ich las die Texte nur, um mich schlauzumachen, doch als ich auf die Ereignisse stieß, die sich in Tora e Piccilli zugetragen hatten, auf die Geschichte der Jüdinnen und Juden, die dorthin gebracht worden waren, wurde ich neugierig und bin der Sache nachgegangen. Ich fing an, den Ort zu besuchen, und während ich über die Ereignisse nachdachte, sind die Figuren wie von selbst entstanden. Es war, als hätte ich diese Geschichten seit vielen Jahren unbewusst in mir getragen und als wären sie plötzlich an die Oberfläche gekommen. 

Haben Sie für den Roman historische Fakten recherchiert?
Ich wollte die Begebenheit so genau wie möglich erzählen und habe viel Zeit auf Recherchen verwendet, sowohl für den ersten Teil, der in Tora e Piccilli spielt, als auch für den zweiten, in dem sich die Geschichte nach Neapel verlagert. Ich stieß auf Interviews mit einem Mann, der als kleiner Junge nach Tora e Piccilli verbannt worden war, und dieser Erfahrungsbericht aus erster Hand war die Initialzündung. Neapel hat auf besonders dramatische Weise unter dem Krieg gelitten und konnte sich während der »Vier Tage von Neapel« aus eigener Kraft befreien. Momentan erscheinen in Italien etliche Romane, die sich mit jener Zeit auseinandersetzen, vielleicht, weil es noch genügend Interesse gibt, sich mit einem historischen Moment zu befassen, der noch nicht endgültig abgeschlossen ist.

Bei Licht ist alles zerbrechlich erzählt von den drei ungleichen Freund:innen Davide, Teresa und Nicolas im Sommer 1942. Wem von den drei Hauptfiguren fühlen Sie sich am meisten verbunden?
Diese Frage wird mir auf Lesungen häufig gestellt, aber es fällt mir schwer, eine bestimmte Figur aus der Handlung herauszulösen. Ich glaube, die drei Hauptfiguren sind unzertrennlich miteinander verflochten, und es braucht alle drei, um die Geschichte zu erzählen. Davide könnte ich mir nicht ohne Nicolas vorstellen. Ich fühle mich Davide besonders nah, weil er anfangs der Schwächste ist, trotzdem hätte ich gern seine Disziplin und seine Fähigkeit, sich die Zukunft auszumalen, ich hätte auch gern Teresas Mut und natürlich Nicolas‘ Schönheit!

Das Buch spielt zu großen Teilen bei und in Neapel, wo Sie auch leben. Was macht für Sie das Besondere an dieser Stadt aus?
Neapel ist ein kultureller Mix sämtlicher Herrschaften, die es in dieser Stadt gegeben hat, hier leben Religion und Aberglaube, Italienisch und Neapolitanisch einträchtig nebeneinander. Ob Theater, Musik oder Kochkunst – die hiesigen Traditionen haben tiefe Wurzeln, doch zugleich ist die Stadt empfänglich für Neues, und häufig nimmt das Neue genau hier seinen Anfang. In den letzten Jahren ist Neapel sehr touristisch geworden, und alle, die hierherkommen, spüren die einzigartige Atmosphäre, die der vielfältigen Mischung uralter und moderner Einflüsse entspringt.

Das Buch spielt während der Pandemie, als sich das Leben erst ganz langsam wieder nach Draußen verlagert. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Während der Pandemie hatten wir mehr Zeit, um in den Spiegel zu schauen und uns wichtige existenzielle, manchmal unbequeme Fragen zu stellen: Ist dies das Leben, das ich mir erträumt habe? Wollte ich wirklich diesen Job machen, in dieser Wohnung leben, diese Familie gründen? Finde ich mich in dem Leben wieder, das ich mir aufgebaut habe? Es ist, als müssten die Figuren, als sie nach dem Ende der Pandemie wieder an einem Tischchen in der Bar sitzen, unbedingt ein Geheimnis preisgeben, diese Gedanken aussprechen. Mir ist es auch so ergangen, deshalb wollte ich, dass man bei der Lektüre die Freude und die Unsicherheit spürt, mit der wir das Leben wiederaufgenommen haben, das uns genommen worden war.

Gibt es Filme, Musik oder bildende Kunst, die Sie inspirieren?
Beim Schreiben dieser Geschichte hatte ich keine unmittelbaren Vorbilder, auch wenn jedes Buch, das ich gelesen habe, jeder gesehene Film, jedes betrachtete Bild mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich bin. Ich glaube, das gilt im Grunde für jeden. Ich habe unzählige Lehrer, die mich inspiriert haben, vor allem Schriftsteller. Als kleiner Junge wollte ich schreiben, um wie sie zu sein. Es faszinierte mich, wie sie in die Tiefen des Lebens vordrangen und es mit all seiner Wucht zu Papier zu bringen vermochten. Ich weiß nicht, ob mir das auch gelungen ist, aber ich weiß, dass Schreiben mir riesigen Spaß macht und ich mir in meinem Leben nichts anderes vorstellen könnte.

Ein Interview mit Gianni Solla von Stephanie Uhlig, Juli 2024
Aus dem Italienischen von Verena von Koskull
© by Diogenes Verlag AG, Zürich.

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Bei Licht ist alles zerbrechlich

Aus dem Italienischen von Verena von Koskull

Davide und Teresa träumen sich schon lange fort von ihrem Dorf, fort von den vorgezeichneten Wegen. Doch an einem Tag im Jahr 1942 taucht plötzlich Nicolas in ihrem Leben auf, ein zwangsumgesiedelter jüdischer Junge aus Neapel. Es wird der Sommer ihres Lebens. Bis der Krieg auch ihr Dorf erreicht – und die zarten Bindungen zwischen den drei Jugendlichen zerreißt. Sie verlieren sich aus den Augen, doch nie ganz aus dem Sinn. Jahre später kommt es zu einem Wiedersehen, und alles ist vertraut und doch verwirrend anders.


Hardcover Leinen
320 Seiten
erschienen am 21. August 2024

978-3-257-07312-6
€ (D) 24.00 / sFr 32.00* / € (A) 24.70
* unverb. Preisempfehlung
Auch erhältlich als

Gianni Solla, geboren 1974 in Neapel, schreibt Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Sein jüngster Roman Bei Licht ist alles zerbrechlich erscheint in 12 Sprachen. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Neapel.