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Eltern werden – Leseprobe

Ein Diogenes Tapir Band ist ein Buch, das uns wach, aber auch gelassen macht. Eines, mit dem wir neues Terrain erkunden und das uns ermutigt, klug und eigensinnig die richtigen Fragen zu stellen. Im zuletzt erschienenen Buch der Reihe – der Anthologie Eltern werden, herausgegeben von Kati Hertzsch –, dreht sich alles um eines der wichtigsten Themen unserer Gesellschaft: Kinder haben. Oder nicht. 

Eine exklusive Leseprobe.

Foto von Liv Bruce auf Unsplash

Eltern sein oder nicht: Das ist eine der großen Entscheidungen im Leben. Manchmal wird uns diese Entscheidung auch abgenommen. Immer jedoch bedeutet Elternschaft und auch Nicht-Elternschaft ein großes Spektrum an Gefühlen. Niemand weiß, wie es geht, Eltern zu sein, keine Eltern zu werden oder Elternwaisen, und doch wünscht und braucht man den Rat, den Trost und die Gedanken derer, die auf dieser abenteuerlichen Reise schon ein wenig eher losgegangen sind. In 21 Originalbeiträgen von Eltern und Nicht-Eltern sammelt dieses Buch Literarisches und Essayistisches zu allen Facetten der Wunder und Wunden von Elternschaft.

Vorwort

Eine Einladung

Eltern werden bedeutet mehr, als ein Kind zu haben. Und Kinder haben ist nur ein Teil dessen, was Elternschaft umfasst. Neben den Fakten, die eine Zeugung schafft  – biologische Fakten und rechtliche  – , ist Elternschaft vor allem eine Entscheidung. Sie ist ein Gedanke, eine Einstellung, die lange vor der Geburt eines Kindes, unabhängig von der Geburt eines Kindes und auch ganz ohne ein Kind eine entscheidende Größe unseres Zusam-menlebens bildet. Je mehr konventionelle Lebensentwürfe ihr Dogma verlieren, je mehr religiöse Gebote an alltäglicher Relevanz verlieren, je vereinzelter und unsicherer sich jede und jeder in unserer Gesellschaft fühlt, desto mehr Bedeutung bekommen tragfähige und langlebige Beziehungen.

Wenn man das Wort »Eltern« hört, mag einem unwillkürlich das Duo Mutter und Vater einfallen, ergänzt durch mindestens ein Kind. Was füllt den großen Begriff Eltern darüber hinaus? Verbundenheit. Verantwortung. Vorbild. Versorgung. Familie. Herkunft. Zuhause. Identität. Zugehörigkeit. Liebe, immer wieder Liebe, die manches Mal umschlägt in Unversöhnlichkeit, Brüche. Alles also, was jede Beziehung zwischen Menschen ausmacht.

Doch Eltern sein beginnt viel eher. Es beginnt als Gedanke, als der Versuch, sich wiederzufinden in der bedeutsam aufgeladenen Frage, ob man ein Kind in die Welt setzen soll. Oder nicht. Sich selbst probeweise die Rolle als Mutter oder Vater anzulegen. Es ist fraglich, ob dieses Gedankenspiel jemals vollkommen frei sein kann, frei von Vorgelebtem, beiläufig oder direkt Gehörtem, frei von Erwartungen und Forderungen an sich selbst, von außen. Und Eltern sein endet nicht, wenn der Mensch, dessen Eltern wir sind, nicht mehr bei uns ist, eine Qualität, die über jede andere zwischenmenschliche Verbundenheit hinausweist.

Denn das ist Eltern sein auch. Etwas Überindividuelles, gesellschaftlich Relevantes, etwas, dass kommentiert wird, woran Erwartungen und Maximen geknüpft sind. Keiner weiß, wie man richtig Eltern ist, doch jeder hat eine Meinung dazu.

In eine Elternbeziehung zu treten ist auch: privat, intim, unfassbar. Es ist vor allem und trotz allem, was darüber zu hören, zu sehen und zu lesen ist, unvorstellbar, bis man es ist. Alles ist neu zu lernen, zu erleben, so viele erste Male. Es ist eine Herausforderung, manchmal eine Ãœberforderung, es ist großes Glück und großes Unglück, es ist immer alles und nichts, existenziell, kaum mit Kompromissen beizukommen, ein Fächer an Gefühlen, nicht selten alle an einem Tag.

Eltern werden bedeutet, ein Mensch zu werden, der einem anderen Menschen Liebe, Vertrauen und eine belastbare Beziehung schenkt. Eltern sein ist ein Teil davon, der Teil, über den am meisten und am lautesten gesprochen wird. Obwohl jede und jeder unweigerlich einmal an dieser Kreuzung steht, liegt Eltern werden kaum in unserer Hand. Nicht die Entscheidung, ob wir Eltern werden wollen, auch der Weg zum Elternsein ist von uns nur in Teilen bestimmbar, das Elternsein so individuell wie die Menschen, die diese Eltern sind – die Schattierungen, Facetten, Momente des Elternseins –, und selbst das Elternbleiben entzieht sich unserem Wollen und Planen.

Nicht alle Aspekte von Elternschaft treffen auf alle von uns Eltern und Nicht-Eltern zu, aber auf viele von uns mehr als einer. Nach und nach fallen Tabus um Themen, die Elternschaft betreffen. Man kann nun lesen von und sprechen über die Dinge jenseits von Glück, das lange ausschließlich in der Eltern- und vor allem der Mutterschaft zu liegen schien.

Vielleicht tut es uns gut, wenn wir Menschen uns einander als Eltern zuwenden und Verantwortung übernehmen und Liebe geben.

Kati Hertzsch, im November 2024

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Eltern werden

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