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Auf den Spuren von Jackson Lamb und seinen Slow Horses

Zum Start der zweiten Staffel von Slow Horses auf AppleTV+ am nächsten Freitag haben wir uns etwas Besonderes ausgedacht: Auf Google Maps haben wir eine Karte erstellt, mit der man interaktiv die Orte, Restaurants, Straßen und Pubs besuchen kann, die in den bisher auf Deutsch erschienenen Romanen von Mick Herron beschrieben sind.

Die Geschichten von Jackson Lamb und den abgeschobenen MI5-Agenten im Slough House brillieren nicht nur mit messerscharfen Dialogen, britischem Humor und politischer Satire, sondern sind zudem durch und durch London-Krimis: Schließlich wurden die Romane von Mick Herron geschrieben. Laut John Gray in The New Statesmen ist er »der führende Spionageautor der englischen Sprache«.
    In einem Interview mit dem Diogenes Verlag sagte der Autor: »Ich habe versucht, sehr viel Londoner Atmosphäre darin unterzubringen. Ich hatte große Lust, etwas über die Londoner City zu schreiben, mit all ihren Facetten.«

Photo by Kevin Grieve on Unsplash

Beim Slow-Horses-Schauen an diesen Satz erinnert, wollten wir alle Beschreibungen in den Romanen von Mick Herron und auch alle Filmlocations in der Serie von AppleTV+ kartografieren. Angefangen mit Slough House, dem Haus an der 126 Aldersgate Street in Barbican, London, das in beiden Versionen dem der Vorstellung des Autors entspricht: »Ich freue mich, dass es tatsächlich für die Dreharbeiten verwendet werden konnte. An diesem Gebäude bin ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbeigegangen und habe es mir für die Bücher ›ausgeliehen‹«.
    So einfach war es nicht immer. Manchmal konnte man in der Serie die Straßennamen nicht entziffern, manchmal waren die Schilder auch nur Requisiten (nein, ein »Belmont House« in der »Maythorpe Road« gibt es in London nicht, vielen Dank, cityoflondon.gov.uk) und manchmal wurden Szenen in Studios gefilmt.
   Mick Herrons Beschreibungen, auch wenn sie oft sehr genau waren, und manchmal sogar explizit Straßennamen, Monumente und Wahrzeichen der Hauptstadt Englands nannten, waren es nicht immer: In solchen Situationen lag es an uns, seine Hinweise entweder zu interpretieren, oder aber, wie die Slow Horses in der Verlagsbranche, fiktionale Orte einfach zu erfinden.

Im besten Fall wurden wir zu erfolgreichen Detektiven. »Südlich des Flusses, eine halbe Meile von der Themse entfernt, in der Nähe einer diesen vielbefahrenen Kreuzungen« gibt es nämlich nur einmal, wenn nebenan eine U-Bahn-Station und eine Kirche stehen sollen (Lösung: Borough).
    Und tatsächlich gibt es nur »eine Fussgängerbrücke, die in Frage kam«, als River Cartwright der Drohung folgt, als Cathrine Standish in Real Tigers entführt worden war. (Lösung: Koordinaten 51.5203, -0.0974)
    Manchmal spielte Mick Herron aber auch mit gezinkten Karten und erfand Orte, die es gar nicht gibt. Und wir kontern mit den gleichen Tricks: So wurde aus dem fiktionalen Upshott aus dem zweiten Band, Real Tigers, ein anderes Dorf in Gloucestershire: Kemble war das einzige in der Region, das sich als »winziges Kaff mit hundert Häusern und einem Pub« beschreiben ließ. Zudem gab es nur dort den entscheidenden Hangar.
    Ähnlich verhielt es sich mit Abbotsfield aus dem zuletzt erschienenen Band London Rules. Die Recherche ließ hierbei etwas mehr Spielraum. Es musste wohl ein idyllisches Dorf in Derbyshire sein, mit einer Kirche und der pittoresksten Umgebung, die man sich nur vorstellen kann. Doch davon gab es unglaublich viele: Aus Abbotsfield wurde zuletzt Youlgreave, aber auch nur, weil wir uns auf der Diocese of Derby durch die 330 verschiedenen Kirchen geklickt haben,und die einzige gefunden haben, um die sich die Straße wie einen »Kreisbogen« zieht.
    Der echte Haupsitz des Secret Services liegt übrigens im Thames House ganz in der Nähe vom Tate Modern – fünf Kilometern Luftlinie zum Regent’s Park. Wie unpraktisch. Wir haben uns daher das elegante Winfield House an der richtigen Stelle ausgesucht. Aktuell residiert darin die US-Botschaft. Wir nehmen an, dass das FBI und MI5 sich keine Büroräume teilen. Aber immerhin: Regent’s Park. Die Adresse stimmt.
    Auch bei anderen Orten, besonders bei den Adressen von Roddy Ho und Cathrine Standish haben wir ein wenig geschummelt: Natürlich haben wir uns an ihren zahlreichen Beschreibungen festgehangelt.  Einerseits suchten wir nach einem Haus, das aussah »wie ein Wintergarten im Obergeschoss«, andererseits nach einem »Gebäude mit abgerundeten Ecken und metallgerahmten Fenstern, ehemals vage futuristisch, seitdem charmant retro«. Um die Privatsphäre der Lahmen Gäule zu bewahren, garantieren wir nicht, dass sich diese Figuren, die wir so ins Herz geschlossen haben, tatsächlich nach fünf Uhr abends dorthin zurückziehen.

Bei diversen Restaurants und Pubs haben wir uns ebenfalls Freiheiten genommen. Wenn wir unsere Arbeit gründlich machen würden, und nicht so, als ob wir unbedingt selbst in ein Slough House abgeschoben werden wollten, dann hätten wir die Locations persönlich besucht und entsprechend nur diejenigen gewählt, bei denen das Essen, die Atmosphäre und die Stimmung überzeugt. Aber alas, so mussten wir uns mit den vagen Beschreibungen wie beispielsweise »der Pub auf der anderen Straßenseite« oder das »italienische Café in der Nähe von Smithfield« und den diversen Rezensionen und Fotos von Google zufrieden geben. Vorerst! Eines Tages, versprochen, holen wir das nach. Und so lange lehnen wir uns zurück, schauen die zweite Staffel, und zücken einen Stift, wann immer wir auch nur eine Andeutung davon sehen, wo der Drehort gewesen sein könnte.

Karte

Den Slow Horses auf der Spur

 

Zum Gebrauch der Karte

Wann immer möglich, haben wir auf unserer Slow Horses-Karte entsprechende Google-Locations verlinkt, damit man sich nur mit einem Klick die Umgebung (oder das Essen, das Menu und die Atmosphäre, wenn es sich um ein Restaurant handelt) ansehen kann. Manchmal konnten wir aber nur Koordinaten angeben, da wir die perfekte Stelle per Google Street View ausgesucht haben, und da diese mit keinem konkreten Standort verbunden ist. In so einem Fall kann man die Koordinaten einfach mit dem Cursor markieren, in die Zwischenablage kopieren und in das Suchfeld einer anderen Google Maps eingeben: So wird man auch direkt an den richtigen Ort transportiert. Wir wünschen wir euch viel Spaß beim Entdecken!
    Ach ja: Wir wissen, dass wir die Karte wie in einem ächzenden Gebäude in der Aldersgate Street zusammengeschustert und nicht MI5-konform konstruiert haben. Aber immerhin sagen wir offen und spinnen keine Intrigen: Manches ist einfach nur unserer Fantasie entsprungen. Sobald wir nicht beweisen können, dass Mick Herron einen Ort zu hundert Prozent auch so gemeint hat, geht der Standortbeschreibung ein warnendes »(fiktiv)« vor.