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Ein Autor – eine Stadt. 10 Tipps von Benedict Wells für Barcelona.

Wie im Film L’auberge Espagnole in einer WG leben, in der jeden Abend die verschiedensten Leute sitzen, die gemeinsam kochen und wo ständig etwas los ist – so ähnlich müssen Benedict Wells Jahre in Barcelona gewesen sein. Hier seine 10 Tipps für die lebendige und lebensfrohe Stadt an der Mittelmeerküste.

Foto: © Benedict Wells, privat

1. Hinauf auf den Montjuïc

Der »Hausberg« der Stadt. Die meisten Besucher gehen sofort hoch zur Burg, aber direkt bei der Metro-Station Montjuïc (erreicht man mit einer Seilbahn – dem Funicular – ganz einfach) gibt es auch einen ruhigen Park, perfekt geeignet für ein Picknick in der Sonne. Die Burg selbst ist aber auch sehr zu empfehlen. Der Eintritt ist frei, und man gewinnt von dort oben einen grandiosen Ausblick über den Hafen und die Stadt.

Foto: © Luise Müller-Hofstede

2. Flanieren im Viertel Gracia

Wer nur ein paar Tage in Barcelona ist, sieht meist eher die Viertel im Zentrum, etwa das Gotico, El Borne oder das Raval. Oder er liegt, was natürlich auch ein Muss ist, einfach am Strand. Mein Lieblingsviertel ist jedoch Gracia. Dort leben fast nur Katalanen, es gibt viele schöne Straßen, Bars und Restaurants, ideal zum Flanieren. Man kann aber auch einfach nur am Nachmittag am Placa del Sol in der Sonne liegen und dösen oder dort abends mit Freunden sitzen und Dosenbier trinken.

Placa del Sol. Foto: © Benedict Wells, privat

3. Die Wampe des Bischofs 

Neben dem Wetter und noch vor dem Strand ist das Essen das, was ich von Barcelona am meisten vermisse. Meine ewige Nummer eins ist dabei das Restaurant ›La Pepita‹. Etwas teurer, aber unschlagbar gut. Zum Beispiel das »Argentinian Skewer«-Rindfleisch, die Sandwich-ähnlichen »Pepitas« (Tuna!) und überhaupt alles, was dort vom russischen Salat bis zu den sehr kreativen anderen Tapas aufgefahren wird. Ebenfalls hervorragend ist ›La panxa del bisbe‹, übersetzt: »Die Wampe des Bischofs«. Dort kocht einer der besten Köche der Stadt. In beiden Restaurants würde ich unbedingt vorher reservieren oder einfach früh vorbeikommen. Sehr guten Fisch gibt es dagegen im ›Succulent‹, katalanische Spezialitäten im altehrwürdigen ›El Sortidor‹, Frisches und Vielfältiges direkt vom Markt in den ›Cuines Mercado Santa Caterina‹. Und wer etwas Günstiges und typisch Katalanisches sucht, der sollte zum Schlemmen ins ›Can Maño‹ am Strand gehen.

La Pepita. Foto: © Benedict Wells, privat

4. Staunen in der Boqueria

Aber nicht nur die Restaurants in Barcelona sind ungewöhnlich gut, so muss man mindestens einmal auch den ›Mercat de la Boqueria‹ besichtigen, den riesigen Markt bei den Ramblas. Dort haben manche Familien schon seit Jahrhunderten ihre Essens-Stände, dort kauft man ein, wenn man wirklich mal hervorragend von Lachs bis Fleisch bis Gemüse selbst kochen möchte, und dort gibt es auch Fruchtshakes, die man nirgends sonst so gut bekommt. Im ›Rekons‹ in Eixample dagegen gibt es die besten Empanadas der Stadt, sicher einer meiner Lieblingsorte. Und im ›Caravelle‹ kann man sehr gut brunchen.

5. Schachspielen im Café ›Antic Teatre‹

Gleich beim prunkvollen Palau de la Música befindet sich das von außen unscheinbare Café ›Antic Teatre‹, ein echter Geheimtipp. Dort kann man bei gutem Wetter im Schatten der Bäume Schach spielen, Kaffee und Wein trinken oder in Ruhe lesen.

Foto: © Benedict Wells, privat

6. Auf einen oder zwei Absinth in die Bar ›Marsella‹

Picasso und Hemingway waren schon in dieser Absinth-Kneipe im Herzen des Raval, allerdings ist gerade Letzterer vielleicht keine Referenz. Es soll Bars in Barcelona geben, auf denen außen auf einem Schild steht: »Hemingway war hier NICHT!«. Die Bar ›La Marsella‹ ist aber so oder so Kult und über hundertfünfzig Jahre alt. Sollte man gesehen haben. Überhaupt finden sich im Raval viele interessante Kneipen, etwa in der Straße Joaquien Costa. Das nach den Vinylmaßen benannte ›33/45‹ ist sehr entspannt, ideal für einen Kaffee nachmittags oder ein Bier abends. Die ›Casa Almirall‹ bietet im hinteren Teil fast kubanisches Flair. Im ›Hendricks‹ dagegen gibt es jede Menge Gin, und touristischer, aber auch nicht schlecht ist die ›Taverna Ovella Negra‹. Dort kann man kickern, im Spanischen »Futbolin« genannt. Als Letztes sei noch die ›Big Bang Bar‹ genannt, sonntags und an manchen Wochentagen kann man ab 23 Uhr Jam Sessions von Rock- und Funkmusikern beiwohnen, Eintritt kostenfrei.

Foto: © Benedict Wells, privat

7. Dichtes Gedränge in der ›Xampanyeria‹

Okay, das steht vermutlich auch in jedem Reiseführer, dennoch muss man sie einfach mal erlebt haben: die ›Xampanyeria‹. Auf engstem Raum trinkt man Sekt und isst Bocadillos (Sandwiches), Käse, Hamburger oder Snacks. Die ganze Stadt ist dort, zumindest fühlt es sich so an: sehr eng und überfüllt. Aber eben auch ein echter Klassiker.

Foto: © Benedict Wells, privat

8. Kunst, Kunst, Kunst

Daran kommen wir in Barcelona nicht vorbei. Zunächst mal ist »La Pedrera« sehr zu empfehlen, das Gaudí-Haus. Dort würde ich unbedingt eine Audiotour machen. Aber auch das Picasso- und das Miró-Museum sind sehr sehenswert. Wie auch die Sagrada Familia, wie ich zugeben muss. Ob man dafür allerdings stundenlang anstehen will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fußballbegeisterte können wiederum eine überteuerte, aber interessante Stadiontour im Camp Nou machen oder gleich eines der Spiele des FC Barcelona sehen. Das Stadion ist wie eine Kathedrale, sehr imposant. Die Stimmung dagegen wird in Ligaspielen leider von der vieler deutscher Drittligisten überboten, es gibt keine Gesänge, nicht einmal eine Fankurve. Aber dafür sind die Spiele selbst eben manchmal Kunst.

Foto: © Benedict Wells, privat

9. Tanzen im ›Apolo‹, aber erst sehr spät

Barcelona ist eine Kneipenstadt, weniger eine Clubstadt. Wer abends tanzen gehen will, sucht also am besten das ›Apolo‹ auf. Nicht überragend, aber mit seinen soliden zwei Sälen besser als die anderen. Grundsätzlich lohnt es sich allerdings erst, ab halb drei oder drei Uhr morgens in einen Club zu gehen, vorher ist nirgendwo etwas los und die Tanzfläche meist noch halbleer. Auch nicht schlecht ist das riesige ›Razzmatazz‹, alle anderen Clubs dagegen sind im Prinzip Mist. Entweder unkalkulierbar (zum Beispiel das ›Moog‹ – das ist mal gut und wartet dann wieder mit bizarrer, untanzbarer Musik auf), Durchschnitt (alles bei den Ramblas und Plaza Real) oder Touristenfallen (sämtliche Clubs am Strand, zum Beispiel ›Opium‹ und ›Shoko‹, wo man umgeben von übergestylten Touristen zu Rihanna-Songs tanzt und ein Bier sieben Euro kostet).

10. Was ist denn nun das Besondere an Barcelona?

Am besten erkundet man die Stadt zu Fuß, obwohl die Metro (Zehnerticket T-10 kaufen!) wirklich hervorragend funktioniert. Tagsüber geht man einfach durch die Viertel, trinkt den günstigen Kaffee, isst Tapas, liest in der Sonne Zeitung oder liegt an einem der fünf Strände. Aber vor allem nachts lebt Barcelona auf. Im gefühlten Stadtwappen sind eine Chorizo-Wurst, Messi, eine Cerveza, ein Skateboard und quer über allem ein rauchender Joint. 

Natürlich muss man die Ramblas vielleicht einmal gesehen haben, aber danach würde ich mich von dieser Ecke fernhalten. Da gibt es nur Touristenramsch, Taschendiebe und H&Ms, also nichts Besonderes, schon gar nicht die Restaurants und Bars. Und nachts verwandeln sich die Ramblas in eine interessante Unterweltsmeile, die man besser ebenfalls meidet. 

Die Katalanen sind übrigens sehr zurückhaltend. Sehr herzlich, wenn man sie besser kennt, aber anfangs können sie in manchen Fällen sogar schroff und abweisend wirken. Das wird jedoch durch den Charme der zugereisten Spanier und Südamerikaner wettgemacht. Auch gibt es wunderbare Orte rund um Barcelona, an denen man wandern oder Burgen besichtigen kann, dazu den Strand von Sitges oder die Costa Brava.

Die Stadt selbst ist natürlich als Tourist toll, doch ich habe es vor allem geliebt, dort in meiner WG zu leben, in der jeden Abend die verschiedensten Leute saßen und ständig etwas los war. In der man gemeinsam kochte und ausging und plötzlich um zwei Uhr nachts mit vielen neuen Menschen und alten Freunden auf irgendeiner Dachterrasse stand. In einer großen Gruppe am Strand liegen, auf dem Dach grillen (Calcotadas und Fleisch mit Chimichurri-Soße) oder gemeinsam durch die nächtliche, lebendige Stadt streifen, durcheinanderwirbelnde Stimmen, alle fröhlich und voller Erwartungen: Das ist für mich das wahre Barcelona, und das lässt sich in kurzer Zeit natürlich so nicht herstellen. Aber auch für einige Tage bietet die Stadt jede Menge Flair und unzählige schöne Ecken.

Foto: © Benedict Wells, privat

Zum Schluss ein Rat: Vorsicht vor den Dieben! 

Barcelona ist in Europa die Stadt Nummer eins für Taschendiebstahl aller Art, noch vor Rom; also nie viel Geld mitnehmen und Pass und Geldbeutel am besten im Hotel lassen. Die Diebe sind unglaublich trickreich, es gilt: Einmal nicht aufgepasst, und die Habseligkeiten sind weg. Am besten auch nie stehen bleiben, wenn man angequatscht wird, vor allem nicht: nachts. Und vor allem nicht: betrunken. 

¡Que os lo paséis bien!

 

Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin und von dort für einige Jahre weiter nach Barcelona. Sein vielbeachtetes Debüt Becks letzter Sommer erschien 2008, wurde mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet und 2015 fürs Kino verfilmt. Er lebt inzwischen wieder in Berlin. 

Bei Diogenes zuletzt erschienen ist der Roman Vom Ende der Einsamkeit (am 24.2.2016). Auch als Hörbuch, gelesen von Robert Stadlober. Wie bereits sein dritter Roman Fast genial steht auch Vom Ende der Einsamkeit auf den Bestsellerlisten. Wells wurde dafür mit dem European Union Prize for Literature (EUPL) 2016 ausgezeichnet.

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