Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024
Schonungslos, aufrichtig und von bestechender Klarheit – ein Roman von großer Wucht: Mein drittes Leben von Daniela Krien ist einer von 20 Romanen, die für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert sind. Die siebenköpfige Jury des Deutschen Buchpreises wählte den Roman aus insgesamt 197 Titeln, die seit Ausschreibungsbeginn gesichtet wurden. Am 17. September 2024 wird die Shortlist, bestehend aus sechs der nominierten Romane, von der Jury bekanntgegeben.
Wieder eintauchen in die Welt von ›Die Liebe im Ernstfall‹: über 300 000 verkaufte Exemplare, Verfilmung von Emily Atef in Vorbereitung
»Vielleicht ist das die Kunst, das literarische Konzept von Daniela Krien, diese distanzlose Wahrhaftigkeit ihrer Figuren, die berührende Intimität.« stern
Mein drittes Leben
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024!
Sie hat alles gehabt und alles verloren: Sekunden der Unachtsamkeit kosten ihre einzige Tochter das Leben. Tief sieht Linda in den Abgrund und wäre beinahe gefallen, doch da sind hauchfeine Fäden, die sie halten – die Hündin Kaja, die steten Handgriffe im Garten, das Mitgefühl für andere. Wie viel Kraft in ihr steckt, ahnt sie erst, als sie zurückfindet in einen Alltag und zu sich selbst.
Linda führt ein Bilderbuchleben. Ihre Arbeit als Kuratorin für eine Kunststiftung füllt sie aus, sie ist verheiratet mit dem Maler Richard, sie haben eine gemeinsame Tochter, Sonja, leben in einer großzügigen Altbauwohnung in Leipzig. Sie sind erfolgreich, gut situiert, glücklich und arglos. Doch in ein paar Sekunden der Unachtsamkeit nimmt das Schicksal Linda alles: das Leben der 17-jährigen Tochter, die von einem Lkw überfahren wird, die eigene Gesundheit, den Schlaf. Die Trauer ist übermächtig und bodenlos. Doch es gibt sie, die feinen Fäden, die Linda in der Welt festhalten. Da sind ein Haus und ein Hof im Niemandsland, die ihr Zuflucht bieten und die Handgriff um Handgriff erfordern, da ist die Freude darüber, wieder lesen zu können, die gezackten Ränder einer satt orangefarbenen Tulpe, die Wärme der Frühlingssonne, da ist die Hündin Kaja. Ausgerechnet die Tochter einer anderen Frau holt Linda ins Leben zurück, und da ist immer noch: ihr Lebensmensch, ihr Mann Richard.
Leseprobe
Heute Morgen kam ein Bussard vom Himmel geschossen und stürzte sich auf eine meiner jungen Hennen. Sie hatte sich aus dem Schutz der Obstbäume herausgewagt und abseits von den anderen gepickt. Ich war gerade dabei, eine Schubkarre voller Laub, Dreck und dürren Ästen am Hühnergarten vorbei Richtung Komposthaufen zu schieben, als ich den Raubvogel aus den Augenwinkeln herankommen sah. Ich ließ die Schubkarre los, riss die Pforte zum Hühnergarten auf und rannte. Meine Hände steckten in Arbeitshandschuhen, und so griff ich ohne nachzudenken nach ihm. Mit seinem kurzen, gebogenen Schnabel hackte er nach mir, stieß schrille Töne aus, schlug wild mit den Flügeln, ohne seine Beute loszulassen. Es war eine Kraft in dem Tier, mit der ich nicht gerechnet hatte, und ich drehte den Kopf zur Seite, um mich vor seinen Hieben zu schützen. Als ich ihn richtig zu fassen kriegte, schleuderte ich ihn mit ganzer Kraft in die Luft zurück.
„Hau ab!“, schrie ich mit einer mir fremden, tiefen Stimme.
Für einen Moment sah es so aus, als sei er verletzt. Seine Flügel schienen den Rhythmus nicht zu finden. In geringer Höhe taumelte er über mir. Doch plötzlich entfernte er sich mit kräftigen Flügelschlägen, kreiste noch einmal über dem Hühnergarten und drehte schließlich ab.
Eine Weile blieb ich stehen, um abzuwarten, ob er einen zweiten Versuch wagen würde. Mein Herz raste; ich spürte mein Blut bis in die Fuß- und Fingerspitzen hinein pulsieren. Laut und stoßweise ging mein Atem, und zu meinen Füßen lag die Henne und rührte sich nicht. Ich riss mir die Handschuhe von den Händen, bückte mich und wollte sie gerade berühren, als sie plötzlich quicklebendig davonstob. Lediglich ein paar Federn hatte sie gelassen.
Für einen Augenblick stand mir mein früheres Ich vor Augen: die Frau mit den gutsitzenden Haaren, der Vorliebe für Kaschmir, Seide und teures Leinen, ihre gepflegten Nägel, die stets sorgfältig geschminkten Augen und Lippen und ihr Widerwille gegen alles Grobe und Schmutzige. Die Hypochonderin, die jedes Krankheitssymptom googelte und immer Krebs vermutete. Die Vorsichtige, die jedes Lebensmittel schon am Tag nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums wegwarf. Die Saubere, die der Putzfrau noch einmal hinterherwischte.
Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf, ging zur Schubkarre zurück, schob sie zum Kompost und entleerte sie. Mit einer Mistgabel arbeitete ich die Fuhre unter und suchte noch einmal den Himmel nach dem Räuber ab. Beim nächsten Mal käme er nicht so ungeschoren davon.
Sollte er wiederkehren, würde ich seinen Kopf mit den starren gelben Augen gegen den nächstbesten Baum schlagen.
Mein Name ist Linda. Linda bedeutet die Milde, die Freundliche, die Sanfte. Dieser Name hat nichts mehr mit mir zu tun.
Mehr von Daniela Krien
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Daniela Krien, geboren 1975 in Neu-Kaliß, studierte Kulturwissenschaften und Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig. Seit 2010 ist sie freie Autorin. Ihre Romane ›Die Liebe im Ernstfall‹ und ›Der Brand‹ standen monatelang auf der Bestsellerliste und wurden in viele Sprachen übersetzt. Daniela Krien hat zwei Töchter und lebt in Leipzig.
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