Anmerkungen
›Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann‹ von János Székely
Kapitel eins
›Zigeuner‹ : Gypsy in der englischen Vorlage. Székely hat im verloren gegangenen ungarischen Original zweifellos, wie schon in seinem Roman Verlockung, das ungarische Pendant cigány verwendet. Im Roman ist nirgends ein Hinweis zu finden, von welcher Volksgruppe hier die Rede sein könnte. Deshalb und im Vertrauen darauf, dass die Leserinnen und Leser den historischen Kontext mitdenken, hat der Verlag die mittlerweile aus gutem Grund aus dem Wortschatz verbannte Bezeichnung »Zigeuner« beibehalten (vgl. auch die editorische Notiz S. 684)
›Primás‹: Der erste Geiger einer zumeist aus Roma zusammengesetzten Musikkapelle. Er genießt als virtuoser Geiger und Solist hohes Ansehen.
Kapitel zwei
›Óvár‹: Heute Olováry im Süden der Slowakei. Zur Handlungszeit des Romans aber zu Ungarn gehörig.
›Zimbal‹ ist in der osteuropäischen Volksmusik das auf vier Füßen stehende und mit Klöppeln angeschlagene Hackbrett.
›Jancsi Rigó‹ (1858 – 1927): Primás, der 1894 die amerikanische Millionärstochter Clara Ward, Princess de Caraman-Cimay, heiratete. Damit sorgte das Paar für einen Skandal.
Kapitel drei
›Gádoros‹: Ortschaft im Südosten Ungarns.
›Eger‹: Kleinstadt im Norden Ungarns.
›Georgstag‹: 23. April.
Kapitel vier
›Pfeilkreuzler‹: Nationalsozialistische Bewegung Ungarns zwischen 1935 und 1945.
Kapitel fünf
›Sch’ma Jisrael‹: ›Höre Israel!‹ Eines der wichtigsten Gebete des Judentums.
›Lajos Kossuth von Udvard und Kossuthfalva‹ (1802 – 94) war Rechtsanwalt, Politiker und 1848/49 einer der Anführer der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung gegen Österreich. Nach der Niederschlagung der Revolution setzte er sich bis zu seinem Tod im Exil für die Unabhängigkeit Ungarns ein.
›Jom Kippur‹: Der »Versöhnungstag« oder »Tag der Sühne« ist der höchste jüdische Feiertag, der als strenger Ruheund Fastentag begangen wird.
›Siddur‹: Jüdisches Gebetbuch für Alltag und Sabbat.
›Ganeff‹: Ausdruck hebräischen Ursprungs, verwandt mit dem deutschen Wort »Ganove«: Spitzbube.
›Tallit‹: Weißer, stolaähnlicher Gebetsmantel.
Kapitel sieben
›Michaelisabend‹: 29. September.
Kapitel acht
›Buda‹: Der Teil von Budapest, in dem die königliche Residenz steht.
›Boncza‹: Fiktives Adelsgeschlecht.
›György Dózsa‹ (oder György Székely) war der Anführer des nach ihm benannten Bauernaufstandes, der hier beschrieben wird. Die Bauern forderten Gleichheit für alle Untertanen des Königs von Ungarn und die Abschaffung der feudalen Vorrechte des Adels. Nach der Niederschlagung des Aufstandes erließen die ungarischen Magnaten Gesetze, die die Leibeigenschaft der Bauern für die nächsten Jahrhunderte festschrieben und ihnen faktisch alle Bürgerrechte entzogen.
›Lörincz Mészáros‹ war der geistliche Anführer des Aufstandes.
István Verbőczy (auch Werbőczy): Verfasser des ›Opus tripartitum juris consuetudinarii inclyti Regni Hungariae‹, kurz: ›Tripartitum‹, das de facto das Gesetzbuch Ungarns bis 1848 war und hier zitiert wird.
›Gespanschaft‹: Regionale Verwaltungseinheit im Königreich Ungarn.
Ein ungarisches Joch misst ca. 43,16 Ar.
›Horthy‹: Nach dem Sturz der Räterepublik 1919 zog Admiral Miklós Horthy (1868 – 1957) in Budapest ein. Bei den Wahlen für die Nationalversammlung 1920 wurde er zum Reichsverweser gewählt und führte ein autoritäres Regierungssystem ein. In der Zwischenkriegszeit näherte er sich dem faschistischen Italien und dem Dritten Reich an, sowohl in der Außenpolitik wie auch im Antisemitismus. Im Zweiten Weltkrieg beteiligten sich ungarische Truppen am deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Zugleich wurden Juden sowie Sinti und Roma deportiert oder fielen Massakern zum Opfer. Entmachtet wurde Horthy im Herbst 1944 von den noch radikaleren Pfeilkreuzlern (s. Anm. S. 687).
Als ›Weißer Terror‹ werden die beiden Jahre bezeichnet, die auf die Ungarische Räterepublik folgten. Zwischen 1919 und 1921 wurde unter Horthys Befehl brutale Gewalt durch die Armee ausgeübt, um jede Opposition zu zerschlagen, die die Räterepublik und deren »roten Terror« noch unterstützte. Dabei entlud sich auch antisemitischer Hass.
›Vitéz‹: Höchste staatliche ungarische Auszeichnung in der Zwischenkriegszeit, 1920 von Horthy eingeführt.
Kapitel zwölf
›Basszama‹: Eigentlich bassza meg – »scheiß drauf!« – , sehr gebräuchlicher Fluch, der auch in vielen Zusammenziehungen auf tritt.
Kapitel vierzehn
›Temperenzler‹: Abstinenzbewegung, die im Verzicht auf Alkohol nicht nur die Heilung von Alkoholkranken bezweckte, sondern darin auch eine sozialreformerische Maßnahme sah, mit der die Armut bekämpft werden konnte.
›Entente‹: Bündnis zwischen Großbritannien und Frankreich.
›Muschik‹: Bauer im zaristischen Russland.
Während der Asternrevolution (ungarisch: ›Őszirózsás forradalom‹) vom 28. – 31. Oktober 1918 gingen in Budapest und anderen Städten die Menschen auf die Straße. Bei den Kundgebungen kam es zu Unruhen und Streiks. Die Soldaten steckten sich weiße Astern an ihre Mützen, nachdem sie die k. und k. Röschen abgerissen hatten.
›Sándor Petőfi‹ (1823 – 1849) war ein ungarischer Dichter, aber auch einer der führenden Freiheitskämpfer der Ungarischen Revolution von 1848.
Massaker von ›Orgovány: Ein Freikorps von Horthy-Anhängern beging 1919 im Wald von Orgovány (etwa 100 Kilometer südöstlich von Budapest) ein Massaker an Hunderten von Menschen, die als Anhänger der kommunistischen Räterepublik galten, unter ihnen viele Juden. S. auch Anm. S. 689 zum Weißen Terror.
Kapitel fünfzehn
›Csárdás‹: Traditionelle Tanzmusik in Ungarn. Der Beginn ist oft langsam, dann steigert sich das Tempo und wird immer rasender.
›Csűrdöngölő‹: Traditioneller ungarischer Bauerntanz.
›Circumdederunt me (gemitus mortis)‹: »Die Fesseln des Todes umfingen mich« (Psalm 18.5) wird in der katholischen Liturgie eigentlich am Fastensonntag gesungen. Fast 70 % der ungarischen Bevölkerung waren zur Handlungszeit des Romans katholisch.
Kapitel sechzehn
Die ›Ungarische Revolution‹ war eng verbunden mit den anderen Aufständen 1848 in der Habsburgermonarchie. Sie entwickelte sich zu einem Unabhängigkeitskrieg gegen die Vorherrschaft der österreichischen Habsburger, der1849 mit einer Niederlage der Ungarn endete.
›Alexander von Bach‹, zunächst Justiz-, später Innenminister, wurde 1852 vom jungen Kaiser Franz Joseph I. mit der Neugestaltung Österreichs beauf tragt und war zwar nicht formal, aber de facto der eigentliche Leiter der Regierung in den Jahren des Neoabsolutismus.
Kapitel achtzehn
›haver‹: Kumpel, Mensch, mit dem man Pferde stehlen kann. Ausdruck leitet sich vom jiddischen chaver bzw. hebräischen haver ab. In Österreich verwendet man bis heute das damit verwandte Wort Haberer.
›Je ne sais pas‹: französisch: Ich weiß nicht.
Kapitel einundzwanzig
›Westen‹ wird von Székely zumeist als Synonym für die Alliierten bzw. für die USA verwendet.
Kapitel zweiundzwanzig
›Kuruzen‹: Bewaffnete antihabsburgische Aufständische im Königreich Ungarn von 1671 bis 1711. Unterstützt vom verarmten niederen Adel und den Bauern, eroberten sie von Siebenbürgen aus in mehreren Angriffswellen weite Teile Ungarns, bevor sie von den habsburgischen Truppen besiegt wurden.
›Horst-Wessel-Lied‹: Parteihymne der NSDAP.
›Vigadó‹: Ein Ball- und Konzerthaus in Budapest.
›neuzeitlicher Tolstoi‹: Der entfernt mit Leo Tolstoi verwandte russische Schriftsteller Alexei Nikolajewitsch Tolstoi (1882 – 1945) schrieb in den Jahren 1934 – 45 die unvollendet gebliebene Romantrilogie Peter der Erste. 1944 konnte sich der Graf nur auf die beiden ersten, 1934 erschienenen Bände beziehen.
Kapitel dreiundzwanzig
›Sabbatarier‹: Jüdisch-christliche Glaubensrichtung, die die Einhaltung des Sabbats und der übrigen jüdischen Feste und Speisegebote, nicht aber die Beschneidung, auch für Christen forderte, denn Christus habe die Thora nicht aufheben, sondern die Heiden zu ihr führen wollen.
›Wilsons 14-Punkte-Programm‹ vom 8. 1. 1918 hielt unter Punkt 10 fest: »Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu freier Entwicklung zugestanden werden.«
›Praise the Lord and Pass the Ammunition‹: Frank Loesser komponierte den Song im Jahr 1942 nach dem Angriff auf Pearl Harbor.
Kapitel vierundzwanzig
›Barches‹ ist die jiddische Bezeichnung der beiden geflochtenen Brotlaibe am Sabbat.
›Sch’ma Jisrael Adonai Elohenu Adonai Echad‹: »Höre Israel! Der Ewige, unser Gott, der Ewige ist eins.«
›Jitgadal we’jitkadasch schemeh raba‹ (»Erhoben und geheiligt werde sein großer Name«): Beginn des Kaddischgebets.
Kapitel siebenundzwanzig
›Nur eine Nacht sollst du mir gehören‹: Schlager von Richard Rillo (Text) und Oskar Geiger (Musik) aus dem Jahr 1920.
Ungarische ›Irredentisten: Anhänger der Idee eines Großungarn